Der Name Neuland wurde nicht ganz zufällig gewählt: Auch die Fernheimer waren zum Teil beruhigt, dass die große, bunt zusammengewürfelte Gruppe der ‘Immigranten’ nicht für immer in Fernheim bleiben würde, sondern auf einem neuerworbenen Landkomplex westlich von den bestehenden Kolonien ansiedelte. Sowohl Menno als auch Fernheim hatten inmitten ihrer Armut große Gastfreundschaft bewiesen, als sie ab 1947 die mennonitischen Russlandflüchtlinge des Zweiten Weltkrieges, die in vier Transporten anreisten, in ihre Heime aufnahmen.
Aber die Unterschiede, sowohl kulturell als auch geistlich, waren schon beachtlich. Einmal hatte der Krieg viele der Jungen und Ehemänner gefressen, sodass der Anteil an Frauen, Witwen, Kleinkindern und alten Leuten überwältigend war. Allein das Dorf Friedensheim wurde das Dorf der Frauen genannt, weil es fast ausschließlich von Haushalten gegründet war, die von Frauen geführt wurden.
Kulturell waren der starke Einfluss des russischen Kommunismus und der noch stärkere Einfluss der deutschen Wehrmacht zu spüren. Die Neuländer hatten die letzten zwölf Jahre in Russland unter absolutem Atheismus gelebt, der alles kirchliche Leben verboten und verfolgt hatte. Sie waren kein normales Gemeindeleben mehr gewohnt. Dann waren sie im großen Treck mit der deutschen Front westwärts gezogen, wo sie im polnischen Warthegau im Schnellverfahren zu deutschen Bürgern gemacht wurden. Viele der Männer hatten sowohl auf der russischen und später auf der deutschen Seite gekämpft und mussten um ihr Leben bangen, da sie von beiden Seiten als Kriegsverbrecher behandelt werden könnten. Sechzehnjährige Jungs waren ab 1943 direkt von Himmler in die Waffen-SS rekrutiert worden. Wer das berüchtigte SS Zeichen unter dem Arm hatte, durfte weder nach Kanada noch sonst wohin auswandern und sollte in Deutschland vor ein Kriegsgericht kommen. Hier war es das Gebet vieler und die brillante diplomatische Arbeit in Berlin und Genf von C.F. Klassen gewesen, der beim Internationalen Flüchtlingskomitee erwirken konnte, dass diese Leute als Flüchtlinge eingestuft wurden und nach Paraguay auswandern konnten.
Die fünf Jahre unter direktem deutschen Kriegs- und Nachkriegseinfluss hatten die Neuländer auch stark geprägt, sowohl die Jugendbewegungen im Nationalsozialismus, aber auch geistliche Erweckungen in den Flüchtlingslagern. Dort waren viele zum Glauben gekommen und hatten sich taufen lassen.
Für die MBG in Neuland war von Anfang an der junge Bruder Wilhelm Löwen die entscheidende Führungskraft. Schon unterwegs hatte er dafür gesorgt, dass um das Dorf Gnadental herum möglichst viele seiner Gemeindeglieder ansiedelten. Die neu gegründete Gemeinde war erstaunlich groß (Juli 1948 = 225; bis 1957 waren 509 Glieder aufgenommen worden, darunter 200 durch Taufe). Die MB Gemeinden Kanadas halfen in besonders herzlicher Weise mit. Der MCC beauftragte Cornelius Abraham De Fehr aus Winnipeg, der gleichzeitig ein wohlhabender Geschäftsmann war und bei dem die junge Gemeinde immer offene Ohren und eine großzügige Hand vorfand. 1953 wurde eine schöne Kirche in Gnadental eingeweiht.
Drei schwierige Situationen bzw. Krisen prägten die ersten zwanzig Jahre: die durch den Krieg auseinander gerissenen Ehen, ein tragischer Zusammenbruch der Gemeindeleitung und die massive Abwanderung nach Deutschland und Kanada. 1972 zählte die Gemeinde nur noch neunzig Glieder.
In vielen Konferenztreffen behandelte man die Frage, ob Gemeindeglieder, deren Ehepartner verschollen waren, wieder heiraten durften. Nach vielem Ringen kam die Südamerikanische Konferenz zu dem einmütigen Beschluss: Wer während sieben Jahren kein Lebenszeichen von seinem Ehepartner erhalten hatte, war frei. Diese Regelung hat manche Probleme gelöst – und andere geschaffen. Es gab mehrere Fälle, wo im Nachhinein der vermisste Partner lokalisiert wurde.
Beinah zerbrach die Gemeinde an der Tatsache, dass ihr sehr energischer und auch kontrollierend legalistischer Leiter, dessen Frau selbst vermisst war, dann der Einsamkeit nicht standhalten konnte und eine geheime Beziehung gepflegt hatte. Dieser Prozess war sehr schmerzhaft. Die Brüder Gerhard Balzer und C.C. Peters haben während der Zeit große Hilfe geleistet.
Sowohl Deutschland als auch Kanada machten es im Laufe der Jahre möglich, dass Neuländer, die keine Zukunft im Chaco sahen, auswandern konnten. Das betraf die MBG Gnadental in solch einem großen Masse, dass der Standort schließlich aufgegeben werden musste. Das Baumaterial der schönen Kirche wurde abgetragen und kam der neu gegründeten Chulupigemeinde in Betania, Yalve Sanga, zugute, wo die Kirche bis heute steht. Die Gemeinde baute eine kleinere Kirche in Neu- Halbstadt.
Die MBG Neuland hat sich von den Krisen der Anfangsjahre sehr gut erholt. Als Gemeindeleiter wurden nach Wilhelm Löwen die Brüder Heinrich Ediger, Abram Derksen, Heinz Ratzlaff, Heinz Wölk, Theo Neufeld, Konrad Polnau, Heinz Epp und zurzeit Edwin Wölk gewählt. 1987 wurde eine neue Kirche eingeweiht, die sich wieder mit 256 (Dezember 2017) Gliedern und regem Gemeindeleben gefüllt hat.
Alfred Neufeld
Dieser Artikel wurde entnommen aus der Juli-August Ausgabe der Zeitschrift Gemeinde unter dem Kreuz des Südens (GuKS) welche herausgegeben wird von der Vereinigung der Mennoniten Brüder Gemeinden Paraguays. HIER können sie die ganze Ausgabe lesen.